Blog Post

Kreta - viel zu entdecken

  • von Michael Meinert
  • 09 März, 2019
In den vergangenen drei Jahren waren wir, meine Frau und ich,  oft  auf Kreta. Wir sind durch die ganze Insel gereist, haben uns fast alle Gegenden angesehen. In erster Linie natürlich die Bereiche abseits des organisierten Tourismus. Wir haben wunderschöne Ecken entdeckt, interessante Leute getroffen, Wanderungen gemacht, bei denen wir stundenlang kaum jemandem begegnet sind. Wir sind bei flirrender Hitze durch einsame Schluchten gekraxelt, haben an menschenleeren Stränden gebadet, wurden in Tavernen bewirtet, in die sich kaum ein Tourist verirrt. Ein paar Eindrücke finden Sie hier -  aber es gibt noch viel viel mehr zu entdecken

Vai - Palmen, Trubel, Einsamkeit

Nur morgens einigermaßen leer: der Strand von Vai.

Der Palmenstrand von Vai im Nordosten Kretas gehört zu den schönsten Stränden der Insel, wenn nicht sogar von ganz Europa. Eigentlich. Eine leicht geschwungene Bucht mit herrlichem klaren Wasser, feinem Sand und eben den berühmten Palmen, die einen ganzen Wald bilden. Die Einschränkung des perfekten Szenarios: Massen von Besuchern. Man parkt für 2,50 Euro auf dem großen Parkplatz, mietet sich für zehn Euro Sonnenschirm und Liegen und schaut dem quirligen Treiben am Strand und im Wasser zu. Badesee-Atmosphäre. Trotzdem: Vai lohnt. Wer um 8 oder 9 schon da ist, hat den Strand fast für sich allein und fühlt sich wie im Paradies. Ebenso am späten Nachmittag. Ein weiterer Pluspunkt: Es ist nichts zugebaut. Es gibt zwar ein Café und ein Restaurant am Strand, aber es gibt keine Hotels oder sonstigen Unterkünfte.

Vai bietet aber auch tagsüber Alternativen zum Trubel: Rechts die Treppen hoch zu einem kleinen Aussichtspunkt, dann einen engen Pfad entlang. Schon wird es einsam. Und einsam ist auch der schöne Sandstrand namens Psilos Ammos, zu dem nach kurzer Zeit ein Weg nach links abzweigt. Nicht ganz so spektakulär wie Vai selbst, aber immer noch großartig.

Der kleine Pfad hoch oben führt weiter und lässt jeglichen Tourismus vergessen. Er führt, immer gut mit roten Punkten markiert, zunächst durch eine grandiose Dünenlandschaft, dann durch steiniges Gelände. Nach etwa einer Stunde steigt man in ein Bachbett hinab, das zu dem kleinen und nun wirklich völlig einsamen Strand Megali Kefala führt. Grandios.

Ach ja – wie kommen eigentlich die Palmen in die Gegend um Vai? Waren es die Sarazenen, die 824 dort gelandet sein sollen, um Kreta zu drangsalieren, zuvor ihre mitgebrachten Datteln aßen und die Kerne ausspuckten? So wird’s hier und da berichtet. Aber die Kreter kamen schon immer gut ohne Invasoren aus, die Palme war auf der Insel schon lange heimisch und ist als „Kretische Palme“ bekannt. Es gibt sie auch bei Preveli im Süden, aber das ist vielleicht mal eine andere Geschichte.


Meer und mehr

Ein mystischer Ort. Die Sonne, noch tief am östlichen Himmel, lässt das Wasser funkeln. Wind streicht sanft über den hellen Sand und formt darauf zarte Wellenmuster. Weicher, weiß-beigefarbener Mergel, vor Urzeiten zu einem kleinen Kliff geworden, markiert den Saum des Strandes und harmoniert mit den klaren Farben des Meeres und des Sandes. Eine kleine, vom Wind gebeugte Tamariske versucht, sich auf der Felsformation zu behaupten, die die kleine Bucht von der nächsten trennt. Kein Mensch ist zu dieser Stunde zu sehen, auf dem niedrigen Plateau über dem Mergelkliff liegen einsam die Reste einer antiken Stadt. Nur ein paar Steinbrocken sind von ihr übrig. Mittendrin eine Kapelle, weiß, mit blauem Dach und einem Glockenaufsatz. Ein mystischer Ort.
Aber wir wollen heute weiter. Von Xerokambos durch die Berge zur Südküste, in die Gegend von Makri Gialos. Wir nehmen den direkten Weg , auf kleinen, aber gut ausgebauten Straßen. Richtung Ziros, kurz davor ab nach Agia Triada, weiter nach Goudouras, dann immer die Küste entlang. Das sind vielleicht 50 Kilometer. Und gerade der erste Abschnitt, von Xerokambos hoch in die Berge, ist absolut großartig. In atemberaubenden Serpentinen schlängelt sich die Straße in die Höhe, nach jeder Kurve ist der Blick nach unten phantastischer. Ich halte diese Strecke für eine der großartigsten auf Kreta. Auch wenn ängstliche Beifahrer(innen) hier zu einer gewissen Nervosität neigen können.

Spektakulär: die Straße nach Xerokampos im Osten Kretas.

Der wilde Osten

„Viel zu heiß“ sei es, hört man heute aus Deutschland. Da ist es doch eine weise Entscheidung gewesen, dass wir uns in den „kühlen Süden“ aufgemacht haben. Hier, in Xerokambos, sind es gerade 26 Grad, es weht ein angenehmer Wind, keine Wolke ist zu sehen, das Meer ist herrlich ruhig, es brüstet sich geradezu mit seinen Türkis- und Blautönen. Xerokambos? Der kleine Ort liegt an der Südostecke von Kreta. Weit entfernt vom Massentourismus. Nur kleine Sträßchen führen hierher, von Palekastro aus oder - ein größeres Unterfangen - von Ierapetra. Xerokambos hat grandiose Sandstrände, an denen sich die wenigen Besucher verlieren, ein paar Kiesbuchten, kleine Pensionen, Tavernen mit hervorragender Küche, höchst erfreulichen Preisen und netten Besitzern. Die Umgebung des Ortes, eine der für Kreta so typischen trockenen Gegenden, ist unberührt, ideal für Wanderungen durch Schluchten und auf die Berge. Und wer die Augen offen hält, findet so einige Spuren von Kretas jahrtausendealter Kultur.
Der wilde Osten der Insel ist ein Erlebnis für alle, die auf Touristenansammlungen lieber verzichten. Da gibt es zum Beispiel das „Schokoladendorf“, wie wir es nennen. Hat nichts mit Schokolade zu tun, ist aber leichter zu behalten als der wirkliche Name Chochlakies. Ein Pfad schlängelt sich durch eine Schlucht, natürlich die Schokoladenschlucht, ans Meer, an einen der vielen tollen Strände.
Und Kato Zakros natürlich. Hier liegen nicht nur die Überreste eines minoischen Palastes, hier beginnt auch der Weg durch das „Tal der Toten“, eine der schönsten Wanderungen, die man auf Kreta unternehmen kann. Ganz ohne Trubel, versteht sich.

Idyllisch: Ein kleines Cafè im ebenso kleinen Ort Chochlakies.

Arme Muräne

Kein schöner Anblick: eine strangulierte Muräne.

Habt ihr schon mal eine Muräne gesehen? Diese eher zu Unrecht gefürchteten schlangenähnlichen Fische mit den vielen Zähnen? Gestern habe ich eine am Strand entdeckt. Tot. Um den Hals eine Plastikschnur. Das arme Tier hat sich irgendwo darin verfangen und stranguliert. Kein schöner Anblick, den ich euch dennoch nicht ersparen möchte. Das Meer ist an dieser Stelle voll mit Plastikfolien und anderem Dreck. Das ganze an der Nordküste, in einer großen Bucht. Keine Ausnahme, letztes Jahr war es genauso. Ich habe nicht recherchiert, ob die Behörden nach den Ursachen geforscht und was unternommen haben. Ich habe aber meine Zweifel.
Es dürfte nicht so schwer sein, herauszufinden, wo das Zeug herkommt, und die Sache abzustellen. Es wäre ohnehin besser, beim Umweltschutz pragmatisch und sachlich zu handeln, anstatt mit erhobenem Zeigefinger zu schwadronieren und eine Ideologie daraus zu machen.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: In aller Regel ist das Wasser an Kretas Stränden phantastisch. Um so schlimmer sind die Ausnahmen.


Unterwegs

From  the westcoast  to the East  - was in den USA recht lange dauert, ist auf Kreta in fünf, sechs Stunden zu schaffen.  Unser knapp 340 Kilometer langer Weg von Falasarna ganz im Westen nach Palekastro an der Ostküste zeigt uns viel von der Unterschiedlichkeit der Insel und wird nie zur stressigen Tour, auch wenn Lastwagen oder unerfahrene Touristen mitunter die Geschichte  arg verzögern. Die Schnellstraße im Norden führt an den größeren Städten Chania, Rethymnon, Heraklion und Agios Nikolaos vorbei und ist in gutem Zustand. Was sehr angenehm auffällt und ganz anders ist als in Deutschland: Die Kreter sind beim Autofahren sehr gelassen und tolerant. Niemand spielt sich als Schulmeister auf, niemand rastet aus, niemand hat es nötig, sich „durchsetzen“ zu wollen. Man erwartet Toleranz und man zeigt Toleranz. Kein schlechter Weg.

Abwechslung auf 340 Kilometern: Mit dem Auto von West nach Ost.

Trockener Hafen

Auch Kreta hat Ecken, die man am besten schnell hinter sich lässt. Der Bereich um Platanias zum Beispiel, an der Straße von Chania nach Westen. Kilometerlang zugebaut mit Läden, Restaurants. Menschenmassen überall. Doch die Szenerie ändert sich bald, und an der entlegenen Westküste kommt die Entschädigung: Falasarna. Und da sind wir schon fast in der Kategorie der Geheimtipps. Falasarna gehört zu den Orten Kretas, an denen das Meer unglaublich ist. Ein weitläufiger Sandstrand, unterbrochen von kleinen Buchten, kristallklares, ruhiges Wasser. Ein Stück rausschwimmen, sich den ruhig heranrollenden Wellen überlassen, sanft hochgehoben werden, ins Tal gleiten. Der Sonne entgegen, wo das Wasser dunkelblau erscheint und mit funkelnden Lichtflecken übersät ist, auf dem Weg zurück über das intensive Türkis staunen. Wer sich dem Meer überlassen kann, findet die absolute Entspannung.
Falasarna hatte in der Antike eine gewisse Bedeutung, war in hellenistischer Zeit eine Hafenstadt, wurde später von Römern und Erdbeben zerstört. Die Küste hob sich um mehr als sechs Meter, das alte Hafenbecken wurde bald zur staubigen Ödnis. Derzeit finden wieder Ausgrabungen statt. Die Archäologen lassen sich nicht gerne in die Karten gucken. Aber ein Teil von „Ancient Phalasarna“ kann man besichtigen – und sich vorstellen, wie das alles einmal war.
Das neue Falasarna ist kein richtiger Ort, sondern eine Ansammlung weit verstreuter Hotels, Pensionen und Tavernen. Trubel ist hier unbekannt und die Landschaft grandios. Eben ein Geheimtipp.

In der Antike gehörten diese Steine tatsächlich zu einer Hafenanlage.

Chania - schön aber voll

Chania fand ich  ganz toll, als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal dort war. Woran liegt es, dass eine eigentlich wunderschöne Stadt jetzt doch enttäuscht? Vielleicht, weil man sie nicht richtig sieht. Vor lauter Menschenmassen nämlich. Dieses Schicksal erleidet Chania, Kretas zweitgrößte  Stadt, zur Zeit. Durch die engen, venezianisch geprägten Gässchen schieben sich die Touristen, sie drängen sich auf der Uferpromenade am venezianischen Hafen und lassen das Fort und den ältesten Leuchtturm Kretas nur noch als Hintergrundkulisse erscheinen. Dabei ist Chania wirklich sehenswert und jeder Reiseführer schwelgt in den architektonischen und historischen Attraktionen. Nur eine davongekommen will ich hervorheben: Ein Teil des heutigen Chania ist seit 5000 Jahren besiedelt. In minoischer Zeit, auch schon mehr als 3000 Jahre her, lag dort die Stadt Kydonia, von der einige prachtvolle Villen freigelegt wurden.

Wer Chania wirklich sehen will, hat vielleicht im Herbst Glück. Es lohnt sich unbedingt.

Idyllische Altstadt: Chania, die alte Hauptstadt Kretas.

Wo Sorbas tanzte

Es muss nicht immer Heraklion sein,  wo das Flugzeug landet  und der Kreta-Urlaub  startet. Chania ist eine gute  Alternative. Der kleine Flughafen liegt ein paar Kilometer von Kretas  wohl schönster Stadt entfernt, und im Nu ist man in Stavros im Nordwesten der Halbinsel Akrotiri. Filmfans  wird der Name wohl was sagen. Das Örtchen hat einen imposanten Berg und eine malerische kleine Bucht,  eher schon eine Lagune mit stillem, türkisfarbenem Wasser. Und hier wurde 1964 der berühmte Film "Alexis Sorbas" gedreht, mit dem legendären Anthony Quinn in der Rolle des griechischen Originals Sorbas. Hier tanzte Quinn den Sirtaki nach der grandiosen Musik von Mikis Theodorakis - ein Stück Filmgeschichte. Fahrt mal hin, ladet euch ein Bild der berühmten Szene aufs Handy, sucht die Stelle, stellt euch vor den Berg, breitet die Arme aus und lasst ein Foto machen. Sieht vermutlich nicht ganz so aus wie bei Quinn, macht aber Spaß. Und dann ab in die Lagune, danach in eine der Tavernen des trotz aller Berühmtheit ruhigen kleinen Ortes. Und in den Tavernen ist der Geist von Sorbas lebendig.

Keine Frage: Anthony Quinns Tanz an dieser Stelle war ein wenig eleganter.
Share by: